Pflegenotstand
Unser Gesundheitssystem krankt auch im Bereich der Pflege! Der Mensch und seine Hilflosigkeit im Krankheits- und Pflegefall ist ebenfalls viele Berichte und Diskussionen wert, aber wenn es darum geht, aktiv etwas zu ändern, geschieht auch hier nichts!
Alte, kranke Menschen werden z. T. menschenunwürdig in den Heimen behandelt. Im Pflegealltag sieht es häufig so aus, dass eine Pflegekraft bis zu 12 pflegebedürftige Menschen versorgen muss. Zeit ist nur für das Allernötigste. Die Hilfebedürftigen erhalten kaum noch menschliche Zuwendung, keine Nächstenliebe, keine Spaziergänge, keine Beschäftigung. Weil es zu wenig Personal in den Heimen gibt, bekommen die Pflegebedürftigen oftmals viel zu schnell und unnötig Windeln, Katheder, Magensonden, Beruhigungsmedikamente, um so die fehlende Zeit auszugleichen. Die alten und pflegebedürftigen Menschen wagen nicht sich zu beklagen, weil sie befürchten, dann noch schlechter versorgt und behandelt zu werden. Die Angehörigen schweigen oft aus Furcht ebenso, denn Alternativen zu einem schlechten Heimplatz gibt es wenige. Am besten wäre die Unterbringung in der oder durch die Familie, was vom Staat besser gefördert werden müsste. Aber nicht nur die zu Pflegenden leiden unter dem Zeitdruck des Pflegepersonals, auch die Pfleger und Pflegerinnen selbst sind Betroffene dieses menschenunwürdigen Sparsystems in den Heimen. Anstatt aufzubegehren und sich dagegen zu wehren, fürchten diese um ihren Arbeitsplatz und schweigen lieber. So gehen meistens nur anonyme Briefe an die entsprechenden Stellen ein, bei denen sie ihrem Kummer Luft machen können. Das Pflegepersonal in den Heimen wird jedoch weiterhin abgebaut.
In Krankenhäusern ist die mangelnde Pflege durch unzureichendes Pflegepersonal genauso an der Tagesordnung. Dass nur eine ausgebildete Krankenschwester mit einer Auszubildenden für über 30 Patienten zuständig ist, ist keine Seltenheit. Doch in den Zeitungen und anderen Medien wird berichtet, dass sich selbst dieser jetzt schon beklagenswerte Zustand noch weiter verschlechtern wird, denn auch in den Kliniken soll noch mehr Pflegepersonal abgebaut werden. Zu befürchten ist dabei nicht nur, dass die Patienten z. B. nicht mehr ausreichend gelagert werden können, also dass sie leichter wund liegen können, sondern dieser Mangel bewirkt weit höhere Risiken für die Kranken. Zitat aus der NRZ vom 06.11.07: ...“Die sinkende Zahl von Pflegefachkräften pro Patient lasse das Risiko von Komplikationen wie Lungenentzündungen oder Embolien bis zum Tod „deutlich“ ansteigen, so der Berufsverband der Pflegeberufe.“ (s. NRZ-Bericht im Anhang).
Dieser Verband verweist außerdem darauf, dass 2004 eine deutsche Krankenschwester für doppelt so viele Patienten zuständig war, wie eine Kollegin in Großbritannien!
Das ist die eine Seite der Medaille. Die nächste Seite, die unbedingt im Pflegebereich, sei es in Heimen oder Krankenhäusern, betrachtet werden muss, ist die teils barsche Abfertigung von Patienten und Angehörigen seitens vieler Ärzte und des Pflegepersonals. Wodurch ist das bedingt? Ebenfalls durch mangelnde Zeit oder aber durch fehlende Einfühlsamkeit? Der Patient sollte bestenfalls auf Augenhöhe mit dem Arzt stehen, aber davon ist oftmals nichts zu spüren. An der Tagesordnung ist, dass der Mensch bei Einlieferung ins Krankenhaus oder Heim seine Würde und Mündigkeit abgeben muss. Ohne aufklärende Worte werden Medikamente verabreicht, Untersuchungen und Therapien angeordnet und wenn der Patient oder sein Angehöriger regelmäßig nachfragt, wird er als Querulant verschrien. Dabei ist es das selbstverständliche Recht, selbst über seinen Körper bestimmen zu dürfen. Es fehlt am Verständnis seitens der Ärzte für die nötige Kommunikation. Das Gespräch von Arzt/Pflegepersonal zu Patient/Angehöriger bleibt auf der Strecke. Viele Konflikte könnten sich vermeiden lassen, wenn beide Seiten offen miteinander reden würden, von Mensch zu Mensch. Ärzte dürfen sich nicht das Recht heraus nehmen, Patienten und ihre Angehörigen wie Bittsteller zu behandeln. Der Kunde ist König und der Patient ist der Kunde, an dem Krankenhaus, Ärzte und Personal verdienen. Ein kranker Mensch ist hilflos und sein Angehöriger empfindet dasselbe, deshalb sollte die Menschlichkeit bei den Ärzten und beim Pflegepersonal überwiegen und nicht die Respektlosigkeit und Eitelkeit.
Im gesamten Bereich der Pflege ist der Zeitmangel ein großer Minuspunkt und viele Missstände in den Krankenhäusern und Heimen werden mittlerweile als „Alltag“ entschuldigt. Doch obwohl dieser Mangel offensichtlich ist, ist das Aufbegehren aller Betroffenen viel zu gering.
Muss erst eine Vielzahl von Menschen in Krankenhäusern und Heimen sterben, bevor wir uns „richtig betroffen“ fühlen? Oder fühlen wir uns gar erst betroffen, wenn wir eines Tages persönlich betroffen sind? Muss es erst soweit kommen? Doch dann sind wir zu schwach und zu betroffen, um noch irgendetwas zu verändern.
Auch hier wieder unsere Frage und Klage: Was ist mit unserer Gesellschaft und den Politikern los? In vielen Bereichen unseres deutschen Gesundheitssystems wird unserer Meinung nach, eklatant gegen den Paragraphen 1 des Grundgesetzes verstoßen.
Die Würde des Menschen ist unantastbar! Wozu gibt es dieses Gesetz?
Zur Unterstützung unserer Arbeit haben wir für Sie einen Flyer erarbeitet, den Sie ausgedruckt weiterreichen können - drücken sie bitte hierzu auf diesen Link - Flyer!
Lesen Sie nachfolgend Beiträge, die uns Claus Fussek (mahnender und kämpfender Experte in Sachen Pflegenotstand, bekannt aus den Medien) zur Verfügung gestellt hat. In den Berichten wird geschildert, wie der Alltag in deutschen Pflegeheimen aussieht und wie Pflegebedürftige und Pflegepersonal unter diesen katastrophalen, traurigen Zuständen leiden.
Bitte schreiben Sie uns auch Ihre Erfahrungen zu diesem Thema.
Weitere Artikel zu diesem Thema:
1) NRZ-Artikel vom 06.11.07 (Jan Jessen)
2) Briefe und Unterlagen von Herrn Fussek:
a) Würde
b) Stumme Schreie
c) Gewalt in der Altenpflege
d) Altenpflegewelt